Im Rahmen der «Informatik der Klinik» werden Daten erfasst, für den klinischen Alltag verwendet und im IDSC für die Forschung aggregiert. In seltenen Fällen wird die Datenerfassung mittels künstlicher Intelligenz angereichert und nimmt somit Einfluss auf die weitere klinische Behandlung. In diesem Fall werden die Informatikmittel zum Medizinprodukt und die Medizinprodukteverordnung (des Heilmittelgesetzes) kommt zu tragen.
Würde die Insel diese AI-Methoden ohne Vertragspartner entwickeln, so würde sie zum Hersteller und müsste die entwickelten Informatikmittel zertifizieren lassen. Streng genommen läuft die «Informatik der Klinik» immer dann in potentielle Gefahrenzonen, sobald sie ein Signal oder eingegebene Daten nicht nur anzeigt, sondern auch logisch weiterverarbeitet. Die Direktion der Insel hat entschieden, nicht als Hersteller aufzutreten, womit in diesen Fällen zwingend ein vertraglich verpflichteter Hersteller einzubeziehen ist.
Nach der Aggregation werden die für das Forschungsprojekt notwendigen Daten anonymisiert und der Forschung übergeben. Mit diesem Schritt geht ein wichtiger Paradigmenwechsel in der Informatik einher. Die Informatik wird Teil der Forschungsmethode und somit der Forschungsfreiheit. Die Beforschung und Analyse der Daten mit traditionellen Methoden, oder auch AI-Methoden darf in vielen Fällen nun auch ausserhalb des klinischen Hoheitsgebietes geschehen. Jedoch ist der Forscher in seiner Tätigkeit nicht komplett frei, sondern nach wie vor an verschiedene Vorgaben (z.B. kein Daten-Weiterverkauf, oder vertragliche Verpflichtungen der Insel) und zwingend an die Gesetze gebunden. Als vertragliche Verpflichtung sei exemplarisch der Epic-Vertrag genannt, bei dem Konkurrenzverbote bestehen. So wäre es unzulässig, mithilfe der Daten, Software zu entwickeln, welche mit Epic in Konkurrenz treten.
Sobald die Daten anonymisiert dem Forschenden übergeben wurden, ist der Einsatz von AI nicht mehr ein Medizinprodukt, sondern eine Methodenwahl der Forschung. Weder die Insel, noch die UniBE, sollten an diesem Punkt Einfluss auf die Methodenwahl nehmen. Als Governance gelten gleichzeitig die noch verbleibenden legislativen Bereiche der Insel und die Freiheiten der UniBE.
6 Vorschläge entlang des Datenflusses
Schlussfolgernd, sechs Verbesserungsvorschläge zu unterschiedlichen Themenbereichen der digitalen Medizin, die Bern einen komparativen Standortvorteil bringen und die UniBE und die Insel gleichermassen betreffen:
6.1 Vorschlag für den Umgang mit Basisdiensten
Um Forschende optimale Bedingungen zu ermöglichen, gilt es in der «Informatik der Forschung» die Sockelkosten möglichst weit zu reduzieren. Die Informatik beschränkt sich dabei auf die Bereitstellung technischer Services. Untenstehend, die ungeachtet des Fachs seitens Informatik zur Verfügung gestellt werden:
- Netzwerk
- Arbeitsplätze
- High Performance Computing und Storage
- Kommunikationsmittel
Diese können, müssen aber nicht, für Forschungsvorhaben bezogen werden. Mit diesem Vorgehen können die UniBE und die Insel der Freiheit der Forschung gerecht werden und die Sockelkosten der Projekte reduzieren.
Weil die UniBE diese Services auch für die anderen Fakultäten bereitzustellen hat, drängt sich auf, dies auch für die Medizinische Fakultät zu tun.
Die Insel wiederum soll den Zugang zu diesen Services aus ihrem Netz heraus für die Forschenden zugänglich machen.
6.2 Vorschlag für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz
Bezugnehmend auf die Frage, was wir mit AI erreichen möchten, ergibt sich für die Insel und die «Informatik in der Klinik» ein zweifaches Fazit:
- AI ist eine Möglichkeit die klinische Behandlung mit kommerziell verfügbaren Produkten zu verbessern.
- AI-Forschungsprojekte im Kontext der «Informatik in der Klinik» sind ausschliesslich mit externen Partnern umsetzbar, welche als Hersteller auftreten. Ein anderes Setting ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.
Für die Uni ergibt sich ein sehr freizügiges Fazit:
- AI in der Forschung ist Bestandteil der Methodenwahl und somit Teil der «Freiheit der Forschung».
- Das Data Science Lab der UniBE (das DSL ist Teil der Schweizer EnhanceR-Forschungs-IT-Gemeinschaft und ist eine fakultätsübergreifende Kerneinrichtung der UniBE) kann, muss aber nicht, auch für die Forschung am Medizinalstandort Bern beigezogen werden.
Ethische Rahmenbedingungen werden mit anderen Fakultäten geklärt.
6.3 Vorschlag für den Umgang mit Professuren
Aufgrund des gezeigten Paradigmenwechsels der Informatik (siehe Kapitel 5), sollte sich die Schaffung neuer Medizinprofessuren nicht vorrangig an der Informatikwissenschaft orientieren. Hierfür ist die Informatik im medizinischen Kontext zu dynamisch und kann langfristig nicht genügend nachhaltige Strukturen bilden, da sie zum überwiegenden Teil als «neue Methodologie» in etablierten medizinischen Fächern aufgeht. Des Weiteren sollten «Unschärfen» nicht in den Alltag der Klinik übergehen.
Jedoch bietet sich an, die von der Humanforschung benützten naturwissenschaftlichen AI-Methoden aufzugreifen und mit bestehenden klinischen Strukturen zu kombinieren, woraus wertvolle Professuren entstehen könnten.
Hierzu folgende Beispiele:
- Professor für Künstliche Intelligenz in der Inneren Medizin (KI ist ein Teilgebiet der Informatik)
- Professor für Data Science in der Onkologie (Data Science ist ein interdisziplinäres Wissenschaftsfeld der Informatik und Mathematik)
Obige Professuren haben einen klaren organisatorischen «Heimathafen» (Zuordnung zum Fach) und fokussieren sich auf moderne Methoden der Naturwissenschaften.
Weiter bietet sich an, gezielt interdisziplinäre Schnittmengen mit den Naturwissenschaften zu bilden. Ein solches Vorgehen würde auch helfen, dass Akademiker interdisziplinär Karriere machen können und sich nicht zwingend für eine Fachrichtung entscheiden müssen:
- Professor für ionisierende Strahlung in der Medizin (Ein Gebiet der Physik)
- Professor für Biomechanik in der Medizin (Biomechanik ist ein Teilgebiet der Medizintechnik und somit der Ingenieurwissenschaften)
Diese Professuren haben einen übergeordneten Auftrag und bieten spannende Möglichkeiten im Bereich der interdisziplinären Forschung und Entwicklung.
Langfristig wenig geeignet, um AI-Methodologien in bestehende Fächer zu integrieren und diese etablierten Fächer innovativ langfristig weiter zu entwickeln sind jedoch Professuren bei denen die Methode oder ein Teilgebiet der Informatik zum Hauptziel erklärt wird, wie beispielsweise eine «Professur für Telemedizin», oder eine «Professur für Data Science». Diese «AI-Professuren» würden eher in naturwissenschaftlichen Fakultäten erwartet.
6.4 Vorschlag zur Sicherstellung der Governance
Mit dem Datenwachstum etablieren sich zunehmend reine Datenstudien und traditionelle, klinische Studien treten in den Hintergrund.
Diese Grunddynamiken dürften mit der Einführung von Epic und bestenfalls mit dem Modul COSMOS noch weiter beschleunigt werden. Entsprechend essentiell ist eine kluge, gemeinsame Aufklärung und Sensibilisierung der Forschenden zur geltenden Governance.
Diese sollte möglichst früh, sprich bei der Projekt-Planung stattfinden. Der aktuelle Ansatz, bei dem die Governance oft erst bei der Datenbestellung durchgesetzt wird, wird verständlicherweise als «polizeiliche Verhinderung» aufgefasst und ist für alle Beteiligten frustrierend.
Dieser Herausforderung könnte begegnet werden, indem die Forschungsvorhaben bereits sehr früh als Forschungsidee bzw. Konzept registriert werden müssten.